Ich habe dieses Wort irgendwann das erste Mal gelesen und mir dann darüber Gedanken gemacht. Ist es eine Krankheit? Man verbrennt sich, es entsteht eine Narbe.... Aber Krankheit?
Nun; Meine Körperoberfläche wurde zu über 60% 2 und 3 gradig verbrannt. Die Behandlung erfolgte im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. Viele Wochen Intensivstation, alles musste steril sein. Jede Infektion konnte tödlich enden. Jeden Tag stundenlanger Verbandwechsel. Dazwischen immer wieder Operationen. Die Schmerzmittel zeigten nicht mehr viel Wirkung. Über Wochen hinweg war nicht klar ob ich meine Hände behalten konnte. Dann; die rechte Hand kann erhalten bleiben. Irgendwann hieß es auch die linke Hand ist gerettet, evt. Ein oder zwei Finger.... Es war schlimm! Organisch folgten viele; bei Verbrennungen übliche Komplikationen. Es war fast ausgeschlossen, dass ich dies alles überlebe. Der hervorragenden Behandlung und wohl auch einigen Wundern habe ich es zu verdanken, dass ich heute noch lebe.
Der Intensivstation folgte die Verbrennungsnachsorge. Ich hatte in ein paar Wochen 30 Kilo Körpergewicht verloren. Es wurden noch ein paar “kleinere” Operationen durchgeführt. Aber bevor es richtig weitergehen konnte musste mein Körper eine Pause haben. Ich kam Mitte Dezember in eine Rehaklinik. Bekam aber nach wenigen Tagen eine Lungenembolie. Das erste Weihnachtsfest nach Ramstein; wieder Intensivstation. Danach zurück in die Reha. Hier lernte ich mit Hilfe von Ergotherapie und Krankengymnastik erst einmal wieder mich alleine anzuziehen, zu essen, einen Kugelschreiber zu halten.... Es dauerte Monate, aber es ging vorwärts. Immer in kleinen Schritten. Irgendwann dann das erste Mal nach Hause. Trauer setzte ein.... Vorher war ich abgelenkt durch den Krankenhausalltag, durch Operationen, durch Schmerzen. Es folgten noch einige Krankenhausaufenthalte, verbunden mit Operationen, Hautverpflanzungen, richten der Finger die versteift waren. Heute noch habe ich Drähte in den Fingern. Die Wunden sind verheilt. Es blieben Narben, geschädigte Lunge, Organe die in Mitleidenschaft gezogen waren. Manchen Menschen schmerzt die Blinddarmnarbe wenn das Wetter wechselt. Bei Narben die über 60 % der Körperoberfläche bedecken und dabei noch tief ins Gewebe gehen, mag man sich nicht vorstellen was die Nerven da ans Gehirn weiter leiten. Kreislaufprobleme bei zu hohen Temperaturen, Schmerzen wenn es zu kühl ist, ständige Verspannungen der Muskulatur durch die Narben, Kopfschmerzen ...
Man muss bedenken, dass die Haut das größte Organ des Menschen ist. Es ist wie mit jedem Organ; solange es funktioniert ist alles in Ordnung. Wenn aber Schwierigkeiten auftreten merkt man erst wie wichtig ein funktionierender Körper ist.
Um das zu erhalten was durch Operationen und Rehamaßnahmen erreicht wurde gehe ich noch heute wöchentlich je zwei Mal zur Massage und zur Krankengymnastik. Anfangs ging es bergauf. Ich machte ständig Fortschritte. Dann kam ein Stillstand ! Ich musste akzeptieren, dass die Grenze des medizinisch Machbaren erreicht war.Seit ein paar Jahren machen sich die Beschwerden aber wieder viel deutlicher bemerkbar.
Nun, ich vergleiche meinen Gesundheitszustand immer mit etwa gleichaltrigen Bekannten. Und ich musste feststellen; eine Verbrennung hinterlässt nicht "nur Narben” sondern es ist eine “Krankheit“.
Die Verletzungen reichten aus um mein Leben total zu verändern. Ich war nicht mehr in der Lage einen Beruf auszuüben. Vorher war ich aktiv im Schützenverein,stemmte jahrelang Gewichte in einem Sportstudio.......Alles war vorbei! Vieles ist nur noch eingeschränkt machbar. Meine früheren Freizeitaktivitäten mußte ich alle aufgeben. Natürlich haben sich die Bilder die ich damals sah, die Geräusche und die Gerüche in mein Gehirn eingebrannt. Seither träume ich oft von Tod und Leid. Anfangs dachte ich auch; das wird sich schon legen. Aber es ist nicht so gekommen. Möchte ich vergessen was mein Leben so verändert hat? Es ist ja sowieso nicht mehr rückgängig zu machen.
Ich möchte an zwei kleinen Beispielen erklären wie mich das Unglück manchmal ohne Vorwarnung einholt:
Gleich nach dem Crash wurde ich von einem Trümmerteil zu Boden geschleudert. Ich lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Das Erste was ich dann wahrnahm war der Geruch von zertretenem Gras. Die Erinnerungen kommen heute oft wenn ich irgendwo vorbei laufe wo gerade der Rasen gemäht wird........
Im Krankenhaus wurde jeden Tag ein - oder mehrmals ein Verbandwechsel durchgeführt. Dieser war verbunden mit ziemlichen Schmerzen. Der Verbandwechsel konnte sich über Stunden ziehen. Vorab wurden sämtliche Instrumente und das Verbandmaterial aus den sterilen Verpackungen entfernt und auf einen Tisch gelegt. Es war immer das gleiche Ritual. Man kennt das vom Arzt; bekommt man eine Spritze, so wollen viele beim auspacken und herrichten lieber nicht hinschauen. Ich habe aber noch genau das Rascheln der Verpackungen im Gedächtniss. Wenn meine Kinder heute eine Tüte Gummibärchen oder Chips öffnen merke ich wie mein Herz beginnt zu rasen........ Das sind nur zwei kleine Beispiele von Vielen die ich auflisten könnte. Und früher hätte ich es nicht verstanden wenn mir das jemand erzählt hätte. Ich kann damit leben. Aber diese "Kleinigkeiten" machen einem das Leben manchmal schon schwer.
Automatisch zieht man sich zurück. Freunde und Bekannte wissen selten damit umzugehen. Alles ist kein " normaler " Zustand mehr, seit dem 28.August 1988.
Ein gut gemeinter Spruch war immer : " die Zeit heilt alle Wunden ". Aber es entstanden Narben die meinen Körper und auch meine Seele bedeckten. In unregelmäßigen Abständen schmerzen sie. Mal mehr mal weniger. Jeden Tag erinnern mich die Narben an das Unglück. Manchmal träume ich nachts; dass ich aufwache und eine gesunde glatte Haut habe. Manchmal träume ich; zu leben ohne Schmerzen oder Einschränkungen. Und oft wünsche ich mir alles rückgängig machen zu können.