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Das, was danach auf dem Flugfeld passierte, kann ich weder in eine zeitliche Reihenfolge bringen, noch kann ich die Dauer abschätzen. Auf jeden Fall dauerte das was ich in den folgenden Zeilen schildere, etwa drei Stunden, denn ich wurde gegen 19.00 Uhr ins Koblenzer Krankenhaus eingeliefert.

Ich lag irgendwo auf dem Boden. Als ich meine Augen aufschlug, sah ich viele Menschen herumlaufen. Etwas Nasses, Weiches lag auf und hinter mir. Da lief eine Frau vorbei. Als sich unsere Blicke trafen, blieb sie plötzlich stehen und fing laut an zu schreien. Ich glaube, man hat mich für tot gehalten und an eine Stelle gelegt wo etwa zehn Leichen lagen. Das Nasse, Klebrige, das ich auf mir spürte, war ein Schwerverbrannter, der nicht mehr lebte. Die Frau rief jemanden und ich wurde kurz darauf von vier Männern an Händen und Füßen weggetragen.

Irgendwann lag ich in einem kleinen Zelt mit drei anderen auf dem Boden, wurde aber nicht ärztlich versorgt, sondern immer nur zurückgehalten, weil ich aufstehen wollte, um nach meiner Frau und meinem Kind zu suchen.

Ich erinnere mich, dass ich später im Freien auf dem Boden lag, die Füße hochgelegt. Jemand kam mit einem Sack Eiswürfel zum Abkühlen gelaufen. Jetzt waren viele Menschen um mich herum, die mir halfen. Man gab mir jede Menge Cola und Fanta aus Pappbechern zu trinken; ich hatte gewaltigen Durst. Ich habe immer wieder nach Carmen und Nadine gefragt. Die Leute beruhigten mich, indem sie sagten "wir werden sie schon finden"  oder  "sie kommen gleich".

Ich lag zu einem anderen Zeitpunkt in einem großen Zelt oder in einer Halle auf einer Trage. Mit mir lagen noch viele andere in dieser Halle. Zwischen den Reihen lief ein Mann einem weißen Kittel und einer Liste herum. Ihm folgten ein paar Männer, die, seinen Anweisungen folgend, immer wieder einen Verletzten wegtrugen. An mir waren sie schon ein paarmal vorbeigelaufen. Jetzt blieben sie jedoch stehen. Der Mann im weißen Kittel schaute mich kurz an, schrieb etwas auf seine Liste, schüttelte den Kopf und wollte weiterlaufen. Intuitiv fing ich sofort zu schreien an, obwohl ich kaum noch einen Ton herausbrachte. Sie kamen wieder zurück, es wurde etwas auf die Liste geschrieben, und ich wurde endlich herausgetragen.

Ich wurde mit einem Hubschrauber weggeflogen. Ich glaube, es war eine Klinik, wo ich lange auf einer Trage irgendwo am Eingang lag. Um mich herum herrschte große Hektik. Ein englischsprechender Arzt und eine Krankenschwester kamen und fragten mich auf Englisch nach meinem Namen. Ich konnte aber keine Antwort geben, sondern fragte nur nach meiner Frau und meiner Tochter. Sie verstanden mich anscheinend nicht. Ich bekam eine Spritze, sodass ich mich nicht mehr bewegen und nicht mehr sprechen konnte. Aber meine Augen waren offen, und ich hörte auch noch alles. Der Arzt schnitt mir die Schuhe und die Hosenbeine auf, zumindest das, was davon noch übrig war. Ich wurde wieder hinausgetragen. Vor dem Gebäude war eine Menschenmenge. Neben meiner Trage lief ein Schwarzer, der meine Infusion trug. Man schleppte mich zu einem riesigen Flugzeug, dessen Heck hochgeklappt war. Daneben stand ein Hubschrauber mit laufendem Motor. Es war ziemlich laut. Ich sollte in das Flugzeug gebracht werden. Wir waren schon fast im Bauch des Flugzeuges, als wir wieder zurück mussten. Warum weiß ich nicht genau; ich nehme an, dass in dem Flugzeug kein Platz mehr war. Denn hier lagen auch viele Verletzte, die aber im Gegensatz zu mir anscheinend recht gut versorgt und verbunden waren. So kam es, dass ich in den Hubschrauber verladen wurde, der sogleich abflog. Als nach der Landung die Tür aufklappte, war ich zu meinem großen Erstaunen wieder auf dem Flugplatz in Ramstein. Zwar nicht genau an der Absturzstelle, doch ganz in der Nähe. Das merkte ich an dem Tumult, der hier noch herrschte. Ich wurde wieder ausgeladen und war kurz darauf bewusstlos. Ich kam für einen kurzen Augenblick wieder zu mir, als ich nochmals in einem Hubschrauber lag, der gerade abflog. Daran kann ich mich noch so genau erinnern, weil der Hubschrauber beim Abheben eine Kurve flog und ich Angst hatte herauszufallen. Ich lag nämlich auf dem Boden und die Tür war offen. Wie ich später erfahren habe, war dies der Hubschrauber, der mich anscheinend ins Krankenhaus nach Landstuhl brachte von wo aus ich am gleichen Abend nach Koblenz transportiert wurde

Jemand, der nicht selbst auf dem Flugplatz anwesend war, kann sich wahrscheinlich die Grausamkeit der Bilder, die brennenden Menschen, ihre Schreie und ihre hilfesuchenden Blicke nicht vorstellen.

                    
                     
             
              
 

Nadine starb am 9. September 1988 um 9.40 Uhr in Ludwigshafen an den Folgen ihrer Verbrennungen. An diesem Tag war die Beerdigung von Carmen.

 
 


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